Under Construction - Last updated: 18-03-2000

Ein Abenteuer aus Südamerika

Nachdem die Beziehung mit seiner Freundin nach 4 Jahren auseinander brach brauchte Michael B. (32) Zeit, um sein weiteres Leben wieder in geregelte Bahnen zu bringen. Er erfüllt sich einen Jugendtraum; per Bike durch die unwirtliche Hochgebirgswüste der chilenischen Anden.

Altschnee am Agua Negra

Angst ! Ein ohrenbetäubender Knall reisst mich aus dem stumpfen Trott ! Bevor ich mich in Deckung bringen kann, ist auch schon alles vorbei. Das Schild mit dem Totenkopf war keine leere Drohung. Das scheue Lama, daß vor mir geflohen war, lief genau in das tödliche Minenfeld. Ich bin geschockt, zittere am ganzen Körper.

Verzweifelung. Die Piste besteht nur aus Sand und Steinen. Unmöglich, hier mit dem Rad zu fahren, nicht mal schieben möglich. Ich trage das Bike zu den Gleisen der nahen Bahnstrecke. Glück gehabt, hier komme ich in Schrittgeschwindigkeit voran. Aber da ist noch ein anderes Problem. Ich habe nur noch einen Liter Wasser für die nächsten zwei Tage, kein Dorf, kein Haus, keine Menschenseele weit und breit. Da kommt unerwartet die Rettung. Eine Rohrleitung, versteckt zwischen Geröll und Sand ist geborsten und versprüht das kostbare Nass in einem weiten Strahl. Im letzten Abendlicht bildet sich in der trockensten Wüste der Welt ein Regenbogen, an dessen Ende ich den Schatz - Wasser - finde.

Knochenarbeit. Ich erreiche Ollague, einen verschlafen Grenzort zwischen Bolivien und Chile. Regelmäßigen Erdbeben ausgesetzt, umgebenen von aktiven Vulkanen, 4000 Meter hoch, kein fliessend Wasser, keine Elektrizität, selbst im Sommer sinken die Temperaturen nachts auf -10 ºC. Aber es ist das Paradies für die Indios, die unter fast unmenschlichen Bedingungen in der Schwefelmine des Aucanquilcha - Vulkans arbeiten. Jeden Morgen steigen sie zur 6000 Meter hohen Mine auf und ruinieren dort ihre Gesundheit, um das nach faulen Eiern stinkende, gelbe "Gold" zu schürfen. Nie sah ich glücklichere Gesichter als die der Indios, wenn sie abends mit einem Bier den Staub runterspülten. Sie hatten einen weiteren Tag überlebt, ihre Familien hatten für einen weiteren Tag zu essen.

Sonnenfinsternis ! Wissenschaftler aus aller Welt verwandeln das kleinen Andendorf für ein paar Tage in das Zentrum der Astronomen dieser Erde. Ignacio, ein argentinischer Professor, hat mir einen wichtigen Tip gegeben. Ich soll nicht die Sonne, sondern den Mondschatten beobachten. Mit ein paar Eingeweihten warte ich in unendlicher Anspannung auf dem höchsten Berg der Umgebung. Und dann ist es soweit ! Der gigantische Schatten des Mondes wälzt sich über die weite Ebene, dann wird es Nacht. Wir fühlen uns winzig und unwichtig und zugleich als Teil des Universums.

Quelle: Neue_Revue.doc


 

Von Calama nach Ollagüe

Warum ?

Die Piste hat einiges aufzubieten und so ist sie sicherlich die Strapazen wert.

Anreise:

Flug Santiago de Chile, Bus Santiago-Antofagasta-Calama

Kurzbeschreibung

Bis zur Abzweigung bei San Pedro Asphalt, dann extrem schlechtes Wellblech über 30 Kilometer, zwei Steigungen bis zum Salar Ascotan, Steigung zum Salar San Martin, Steigung und Abfahrt nach Ollagüe

Detailbeschreibung

Bis zur Brücke von Conchi geht die die Fahrt sehr gut von der Hand und man nähert sich langsam San Pedro und San Paulo. Von einer Steigung, X Kilometer hinter San Pedro abgesehen, gibt es keine wesentlichen Rampen, die Piste ist jedoch durchgehend schlecht und anstrengend, von einigen schnellen Kilometer an den Salaren abgesehen, die man auch nutzen sollte.

Die ersten XX Kilometer lassen sich rasend zurücklegen auf köstlichen Asphalt, an Telefonleitungen entlang und lange Zeit die Rauchfahnen von Chuquicamata beobachtend. Will man nicht das schöne Flusstal von Chiu Chiu kennenlernen, dann bleibt man an dessen Abzweigung weiter auf dem Asphalt und nähert sich unaufhaltsam dem Doppelvulkane San Pedro (5974 m) und San Pablo (5334 m).

Dann kommt man zur Abzweigung nach Conchi, biegt rechts unvermittelt auf eine Piste ein, passiert eine Kaserne und eine Brücke. Conchi besteht nur aus der Kaserne, evtl kann man hier mit ein bisschen Aufwand Wasser bekommen. Dann kommt es ganz Dicke, das Ziel ist nahe, San Pedro ist in sichtweite in der Nähe eines Aschekegels, etwas über 12 Kilometer, die Piste steigt leicht an. die Piste ist breit und der Bahner gibt sich damit der Illusion hin, Platz zum ausweichen zu haben. Aber dem ist natürlich nicht so. Die Welle liegen vielleicht 30 cm auseinander, sind knöcheltief und mit mittelfeinem Sand gefüllt. Bei einem leichten wind ein nervenzerrende Angelegenheit, San Pedro ist so nah, aber man kommt nicht voran. Man findet einige brauchbare Abschnitte auf der rechten Seite an einer Pipeline. Die sicherste, wenn auch langsamste Möglichkeit ist es zwischen den Schienen zu fahren, denn die Räume zwischen den Bahnschwellen sind mit sand gefüllt und so geht es gemächlich vorwärts. San Pedro ist eine einzige Enttäuschung, verfallene Hütte, eine verrammelte Bahnstation und ein Camp irgendeiner Firma. Die einzige Möglichkeit in San Pedro zur Versorgung besteht beim korrupten Küchenchef des Camps. Die Piste bleibt weiter entsetzlich und man tut daran, weiter auf dem Bahndamm zu fahren, denn die Bahn führt bis zum Salar San Martin, kurz vor Ollagüe. Als ich am Vorweihnachtsabend 1996 hier unterwegs war, wurde mir ein besonderes Weihnachtsgeschenk zuteil. da ich felsenfest darauf gebaut in San Pedro einkaufen zu können, dies aber nicht möglich war, leidete ich unter Wassermangel. Ca 1 Kilometer vor dem grossen Aschenkegel, in der Mitte des Lavafeldes, welches die Bahntrasse durchschneidet, vernahm ich plötzlich ein Geräusch, das hier so garnicht hinpasste. Ein Zischen wie von ... einer undichten Wasserleitung. Und wirklich, da vorne war die Erde feucht und ein feiner Sprühregen, von links kommend, verteilte sich auf den Schienen. Fraglos ein ideales Camp. Man durchquert und umrundet weiter das Lavafeld, die Piste ist meistens schlecht. Nach X Kilometer, an einem Wegstein beginnt eine böse, schwierige Steigung, ca 2 Kilometer lang. Danach folgt ein fast flaches Plateau, man kreuzt wieder die Bahnlinie, fährt etwas ab und nimmt die letzte Steigung vor dem Paso Ascotan mit Schwung. Hier ist eine Polizeistation, bei der man sich besser meldet, ein cafe oder eine Coke ist einem fast sicher. Nun folgt einer der unbestreitbaren Höhenpunkte dieser Strecke, am Stacheldraht, der ein Minenfeld sichert, hat man den Ausblick auf den Salar Ascotan und das knappe Dutzend Vulkane, die ihn umgeben.

Am Salar angekommen kann man einige verlassene Hütte zu einem Camp nutzen, es geht um den Salar herum, man durchquert eine Ansiedlung an der Bahnlinie, wo man Wasser bekommen kann. Nachdem der Salar zur Hälfte umrundet ist, verlässt man den Talkessel über eine ansteigende Rampe, erreicht den Paso San Martin und erhält freien Blick auf den umwerfenden Salar San Martin, die Abfahrt ist sehr steinig und zieht sich hin, links im Salar liegt die verlassene Bahnstation San Martin, nur noch aus einem Eisenbahnwaggonskelet bestehend. Man umrundet auch den Salar San Martin, verlässt den Salar über einen Pass und hat dann zur rechten Seite, schon verdammt nahe, den Vulkan Ollagüe. Nun fehlt nur noch eine Abfahrt nach Ollagüe, die wegen der Schotterpiste recht anstrengend ist.

Quelle: buch.doc


Weihnacht in den Anden - 25. Dezember 1995

Hinter der letzten Kurve verschwindet der Salar de Ascotan, und nur etwas schwerer Schotter trennt mich von der Passhöhe, die recht unspektular auftaucht. Die Abfahrt sollte hart erkämpft werden, der Schotter kann nur halbwegs das Wellblech verdecken, ist aber zu schwer um vom stetigen Gegenwind aufgewirbelt zu werden. So gelingt ich mühsam in das Amphietheater des Salar San Martin, der durch die schnurgerade Eisenbahnlinie in zwei ungleiche Hälften aufgeteilt wird.

Ollagüe

Dieser Grenzübergang zwischen Chile und Bolivien ist ein gutes Beispiel für die Relativität von Grösse. Auf guten Landkarten wird man in den dicht besiedelten Gegenden in China die eine oder andere Grossstadt vermissen, aber Taschenkalendern, die in ihrem Anhang über einige Karten verfügen, kann man Ollagüe wiederfinden. Dies sagt zwar nichts über die Grösse, jedoch eine Menge über die Bedeutung aus. Ist es doch in dieser Region ein essentieller Punkt und lebenswichtig für die Handvoll Soldaten, Minenarbeiter und Hirten, die sich hier täglich auf´s Neue dem Überlebenskampf stellen müssen.

Der erste Eindruck, den man schon aus einiger Entfernung auf der langen Abfahrt gewinnen kann, ist recht enttäuschend. 250 km quälende Pistenkilometern zu diesem Grenzübergang, der sich in fast allen Karten finden lässt und nun das !

Der zweite Eindruck ist etwas besser. Man passiert ein verlassenen Wachpostenstand und kommt an eine überdimensionierte Kreuzung, geniesst das erste mal seit langer Zeit Asphalt. Vorsichtig überquert man die Bahnschienen und kommt zum Hauptplatz, sicherlich der Plaza de la Republica, Plaza de la Independencia oder Plaza de Armas. Zur linken ist das Verwaltungsgebäude der Parkverwaltung, an seiner Seite ein Fahnenmast, gefolgt von der Grundschule. Rechts in die einzige Hauptstrasse einbiegend folgen einige bunt bemalte Lehmhäuser, in einem ist ein Tante-Emma-Laden versteckt. Am Ende der Strasse ist auf der rechten Seite der Hintereingang des Polizeipostens. Von hier sieht man auf der anderen Seite des Schienenstranges das Zollgebäude.

Die Strassen sind leergefegt und nur ein Soldat, der mürrisch seinen Dienst verrichtet ist zu sehen, als er gerade die Reste seiner dünnen Suppe in den Sand schüttet.

Buenas tardes, entschuldigen Sie bitte, aber gibt es hier in Ollagüe ein Hotel oder irgendeinen Schlafplatz ?

Er verkneift sich einen Lachanfall, und rückt mir kurz darauf in freundlicher Art und Weise den Kopf zurecht.

Wie bitte ?

Einen Platz zum Schlafen, ich habe kein Zelt und möchte heute nacht hier übernachten.

Señor, hier in Ollagüe haben wir leider kein Hotel, aber Sie können dort an der Ecke in dem verlassenen Haus übernachten.

Die Türe ist mit etwas Draht verschlossen, im Inneren gibt es nur zwei Räume, 1 1/2 ohne Dach. Die Stützbalken haben schon vor langer Zeit ihren Dienst verweigert, versperren den Durchgang und sind wie alles hier im Haus von einer dicken Ascheschicht bedeckt, eine flüchtige Erinnerung an den letzten Vulkanausbruch .

Es ist schon spät, ein mächtiger Sonnenuntergang kann nur kurz die Kälte vertreiben und so fliehe ich bald in meinen Schlafsack. Ein Halbmond ist aufgezogen und spendet genug Licht, um mit routinierten Handgriffen ein schnellen Reis zu kochen.

Nacht und Kälte brechen mit der gewohnten Eile herein, schnell die letzte Zigarette kiffen und aufpassen, sich kein Loch in den Schlafsack zu brennen und dann möglichst schnell den Wärmekragen zuziehen. Der Wind hat sich etwas gelegt und so ist nur das gelgentliche Gebell der Hunde zu hören.


Begegnungen mit Menschen

Viel zu selten geht man auf die Menschen ein, die man während der Reise trifft. In den allermeisten Fällen sind die Leute für den Verlauf der Weltgeschichte vollkommen unerheblich, aber gelegentlich haben sie einen kleinen oder grossen Einfluss auf unser eigenes Leben.

Ein Grenzbeamter in Chile

Ort: Chilenische Grenze mit Argentinien am Paso Agua Negra

Seit acht Monaten schiebt Carlos hier oben an der eisigen Grenze zwischen Argentinien und Chile seinen Dienst, 3 Monate Dienst und dann 2 Wochen nach Hause. Die Zollabfertigung ist nur auf 2200 m Höhe gelegen, aber der Winter ist trotzdem hart. Der Agua-Negra-Pass verliert im Herbst die eh schon geringe Bedeutung, die er Sommer hat, denn er ist unter einigen Metern Neuschnee begraben. Die Tage werden kurz, zum Schichtwechsel in der nahen Goldmine "El Indio" rollen dreimal pro Tage einer Flotte Zubringerbusse hier vorbei, gelegentlich bringt ein Fahrer ein paar Bier oder ein Pornoheft mit, denn Carlos kann seinen Posten nicht verlassen.

Wenn es das Wetter zulässt, reitet er mit Kamaraden zum Pass, im sicheren Abstand von einigen verwilderten Hunden ein langer, anstrengender Weg, vorbei an verlassenen Siedlungen, die niemals richtig lebendig waren, der gefrorenen "La Laguna" und der "Quebrada Colorada", der man unter der Schneedecke und dem grauen Himmel ihre Farbenpracht nicht einmal erahnen kann. Kommen sie am zweiten Tage endlich am verrosteten Passchild an, so machen sie sich auch gleich wieder auf den Rückweg, um so schnell wie möglich in die Trostlosigkeit des Abfertigungsgebäudes zurück zu kehren.


Der Agua Negra - 1. Tag

Ich bin am Anfang einer Anden-Tour, voller Pläne und das einholen des Ausreisestempels erscheint mir eine Formsache zu sein. Auf der dreitägigen Anreise von La Serena habe ich zwar einige Gerüchte darüber gehört, das der Pass noch zu sei, aber ich habe gelernt mich von diesen Geschichten nicht unnötig verrückt machen zu lassen. Ich stelle das Rad im respektvollen Abstand ab, fahre mir in dem unsinnigen Unterfangen, etwas gepflegter auszusehen, nochmal durch die verschwitzten Haare und trete in die warme Amtsstube.

Beim Eintreten in die Dienststube verstummt das Pfeifen des Windes, dass mich die letzten Tage begleitet hat und es umpfängt mich eine wohlliche Wärme, am Fenster, hinterm Tresen steht ein Weihnachtsbaum aus Plastik, an der Wand das unvermeidliche Bild des Präsidenten.

Buenos Tardes, Señor, ich hätte gerne einen Ausreisestempel.

Der Beamte wird zugleich etwas förmlicher, erhebt sich von seiner Schreibmaschine und tritt an den Tresen heran.

Passport.

Hier, bitte.

Mit mehr neugierigem als kritischen Blick überprüft er meinen Pass, das ganze zieht sich sicherlich eine Minute hin, dann klappt er den Pass langsam zu, legt ihn behutsam auf den Tresen und es tritt eine dramturgische Pause ein, bis er spricht.

Lo siento, señor, aber der Agua-Negra-Pass ist noch nicht befahrbar und ich kann ihnen keinen Stempel geben.

Grosse Güte, mir läuft ein Schauer über den Rücken. Jetzt heisst es klug sein. Vielleicht kriege ich ihn mit der Wahrheit überzeugt, soll heissen, mit fast der Wahrheit.

Entschuldigen Sie bitte, aber diese Überquerung ist sehr wichtig. Ich bin auf einer großen Südamerikarunde und auf der argentinischen Seite warten zwei Freunde von mir, mit denen ich weiterfahren will.

Dies stimmt fast. Zur gleichen Zeit sind nämlich ein bekumpeltes Päarchen auf ihrer Weltreise und halten sich in Mendoza auf (leider sollte es zu keinem Treffen kommen, es trennen uns -15.000 km von zu Hause entfernt- ca 500 km und ein Warten bzw. Hetzen ist für keinen von uns vertretbar).

Es hilft alles nichts; die Passstrasse ist geräumt und befahrbar, aber es fehlt die offizielle Eröffnung. Ohne diese sind die Beamten nicht berechtigt, Stempel zu vergeben. Nix zu machen. Etwas unbeholfen deute ich an, daß mir ein Stempel "sehr wertvoll" sei, aber mein Bestechungsversuch ist zu ungeschickt oder die Beamten zu ehrlich.

Nicht gleich verzweifelt, aber doch sehr beunruhigt setzte ich mich erstmal raus, um eine Kippe zu kiffen.

Scheisse, was machen ? Die Einreise nach Argentinien kannst Du vergessen und damit ist das ganze Konzept hin. Ach, es war doch alles so wunderbar geplant. Von Santiago über den Agua Negra, etwas Argentinien und über den San Franzisco wieder zurück.

In solchen Situationen macht es sich immer gut sich auf das Kerngeschäft zu besinnen und sich zu vergewissern, was man eigentlich will. Die Frage kann ich mir schnell beantworten: Ruhm, ich will Ruhm ! Ich will auf den Pass rauf, wenn ich deswegen etwas Stolz runterschlucken muss, ist das nur halb so wild. So nehme ich schnell von einem eheren Prinzip Abstand, dem ich fast 8 Jahre lang eisern gefolgt war. Nämlich eine reine Radrunde zu drehen, die nicht von anderen Verkehrsmitteln unterbrochen wird.

Also, nur von der chilenischen Seite operieren. Ein Pass rauf, Foto machen und auf dem gleichen Weg wieder zurück. Bus nehmen, zum nächsten Basecamp fahren und dort das gleiche Spielchen wieder.

Ich gehe wieder zurück in die Amtsstube und versuche Carlos und seinem Vorgesetzten meinen Plan zu verkaufen. Ich lasse meinen Pass in der Amtsstube und versuche mich am Pass in einigen Tagesausfügen. Nach einer kurzen Beratung haben die beiden nichts dagegen einzuwenden, ich kann sogar meine überschüssige Ausrüstung in der Stube lassen und bekomme etwas Wasser.

Jetzt aber schnell los, nur mit dem nötigsten auf dem Rad lasse ich den Schlagbaum hinter mir, passiere ein Horde lausiger Köter, die ich später noch fürchten sollte und nehme die Schotterpiste unter die Räder.

Die Steigung ist nicht zu wild, das Wellblech erträglich, passiere eine Geisterneubausiedlung und erreiche gegen Mittag den Stausee La Laguna auf 3000 m, an dessen Ufer noch ein paar schnelle Kilometer zu machen sind. Hier ist sind ein paar Fischerhütten und etwas weiter das Camp der Jungs von der Strasseninstandhaltung.

Ich kann der Piste nicht wiederstehen, wechsele auf einem Damm auf die andere Seite und die Piste biegt scharf links in ein weiteres Tal ein, es geht wieder aufwärts. Noch 1500 Höhenmeter, aber wo ?

Da sehe ich vor mir eine Diagonale, schnurgerade und unangenehm steil, auf halber Höhe mache ich den Strassenbautrupp aus. Ich verschnaufe nochmal, damit ich mir keine Blösse vor den Jungs geben muss, wenn ich sie passiere. Dies ist gar nicht so einfach, denn die Burschen haben die Piste umgepflügt und so muss ich doch noch schieben. Noch 500 Meter, dann habe ich 3500 m erreicht. Ein schnelle Brotzeit und dann muss ich wieder zurück.

Es geht zu spät auf den Rückweg, im letzten Sonnenlicht beginne ich mit der 50 Kilometer langen Abfahrt. Bald ist es stockfinster, das Rad schwimmt im Schotter, aber ich muss zusehen, dass ich so schnell wie möglich wieder zum Grenzposten kommt. Die Kälte beisst in den Händen, meine dünnen Fleecehandschuhe helfen wenig und die Hände schmerzen höllisch durch das permanente Bremsen. Der dünne Lichtfinger der Radlampe hat grosse Mühe die Piste aud der Nacht zu schällen und dann beginnt auch noch mein Rücken, mörderisch zu schmerzen. In meinem Daypack habe ich Kamera, Stativ und noch zwei oder drei Kilo anderes Zeug, aber an Anhalten ist nicht zu denken. Es wird immer kälter und mein Schlafsack ist an der Grenzstation.

Tagebuchauszug 19-12-1995

"13:30, 30 km, 3070 m: Sobald eine Steigung kommt ist es irrsinnig anstrengend, dann halte ich an, der Wind säuselt in mein Ohr, der Körper erholt sich wieder und ich fühl' mich gut und frei. So ein Pass ist eine feine Sache."

Nach drei Stunden anstrengender Abfahrt bin ich fast am Ziel, jetzt muss ich nur noch an den Kötern vorbei. Dies ist garnicht so einfach, denn dort ist die Strecke flach, hat ne ganze Menge Sand und der Streckenverlauf ist in der Dunkelheit nicht leicht zu erkennen. Ich habe Glück, der Gegenwind treibt meine Witterung von ihnen Weg und so beginnt das Gebell erst, als ich direkt vor ihnen bin. Aber jetzt höre ganz deutlich schnelle Pfoten, die sich durch den Sand und Kies schnell auf mich zubewegen, sehen kann ich sie nicht. Das würde noch fehlen, im Kies zu stürzen und von einem tollwütigen Köter gebissen zu werden. Aber ich schaffe die letzte Beschleunigung dieser Nacht, erreiche bald das Grenzgebäude, hole meine Klamotten und schlage mein Camp gleich hinter der nächste Ecke auf.

Der Agua Negra - 2. Tag

Will ich jemals auf den 4700 m hohen Pass, dann muss ich mir was einfallen lassen. Gestern habe ich in einem Tag 50 km rauf bis auf 3500 m geschafft. Dies will und kann ich mir heute nicht nochmal antuen und so warte ich auf einen Transport rauf zur La Laguna. Erst gegen drei Uhr mittags kommt der Pickup von Sergio, dem verantwortlichen Strassenbauingenieur und nimmt einen Indio und mich bis zur La Laguna mit.

Ich breche nach einer kurzen Brotzeit auf, aber es geht nicht besonders. Nach einer Stunde Fahrt fällt mir plötzlich auf, dass ich meine Fleecejacke am Ausgangspunkt vergessen habe. Verflucht, alles für die Katz. Ich kehre gerade um, dann kommt Sergio wieder vorbei und nimmt mich mit zurück, ich stehe hinten auf dem Pickup und sichere so gut es geht mein Rad. Bald sind wir wieder da, finde nicht meine Jacke und fahre wieder zurück.Nach einer halben Stunde sehe ich, dass ich diesmal meinen Tacho/Höhenmesser verloren habe. Dies kann nur auf dem Pickup passiert sein. So ein verdammter Mist. Ich komme an diesem Tag nur 8 Kilometer -bis auf 3800 Meter- voran.

Dann kommt schon der LKW vom Pass, meine einzige Chance, rechtzeitig dem beissenden Nachtfrost zu entkommen. Die Jungs vom Bautrupp laden mich zum Abendessen ein, was ich gerne annehme. Wir futtern die üblichen Bohnen, dann nimmt mich der Koch ins Kreuzverhör, seinem Spanisch kann ich jedoch nicht so recht folgen. Ich schon fast fertig, in die Poffe zu fallen, da werde ich "eingeladen", noch an der Nachtschicht teilzunehmen. Todmüde fahren wir noch ein paar Kilometer, ich schaue den Strassenarbeiten zu, ein seltsames Bild. Ein Pass, der nur drei bis vier Monate pro Jahr auf ist und nur von ein paar argentinischen Schmugglern benutzt wird und die Jungs schlagen sich eine bitterkalte Nacht um die Ohren, um ihren Job noch  rechtzeitig fertig zu kriegen.

Der Agua Negra - 3. Tag

Tagebuchauszug 19-12-1995

15:00, 18 km, 4300m: Scheisse, Mann ! Ist das Geröll zu tief, so schieb ich nur 20 bis 30 m, dann muss ich verschnaufen, halte Maulaffen feil, gucke Löcher in die Luft oder sonstwas. Es zieht ziemlich verdammt rein, oder ich steh' einfach nur dumm rum.

Ich verbringe die Nacht in der Fahrerkabine eines LKW, seltsame Träume an einem unwirtlichen Ort. Um 8 geht's endlich los und die Jungs bringen mich zum gestrigen Schlusspunkt, wünschen mir Glück, wir werden uns später am Pass wiedertreffen.Nur schwer ist die Idee zu verdauen, dass noch 25 Kilometer und 1000 Höhenmeter fehlen, ich beginne am Erfolg meines Unternehmen zu zweifeln, bevor ich nur einen Meter gefahren bin. Es werden sehr lange Kilometer am heutigen Tag, circa noch 12 in diesem Tal und dann sehe ich endlich zu meiner Linken die letzten 10 Kilometer und 700 Höhenmeter bis zum Agua Negra.  Das fiese Geröll bleibt, der starke Wind treibt mich in der einen Richtung fast von alleine durch den Kies, aber wenn die Serpentine ihre unvermeintliche Kehrtwendung macht, kann man nur noch schieben. 10 Schritte, das Rad rutscht dauernd weg, der Mund steht weit offen und die Pumpe rasst. Wenigstens kann ich meinen Frust nach Herzenslust in die Weite der chilenischen Anden rausbrüllen. Aber die Qualen haben irgendwann auch mal ein Ende, ich passiere die Jungs vom Bautrupp und nach weiteren 15 Minuten sehe ich das Grenzschild "Bienvenido a la Republica de Chile".