Last updated: 18-Mar-2000
Am nächsten Morgen nahmen wir dankend einige Dutzend km köstlicher Abfahrt entgegen und kamen aufgrund des Ouarzazate-Effektes nach 15 km Nachtfahrt in der gleichnamigen Stadt, die ich aufgrund der Veränderungen seit meinem letzten Besuch in 93 nicht mehr wiedererkannte, an. Rosangela konnte geschafft ihre erste 100 km-Etape verbuchen. In den darauf folgenden Tagen schlugen wir uns bis Boumalne durch, besichtigen in einem Tagesausflug den Canyon und bereiteten uns für die erste Piste vor.
Piste-terra batida-dirt track-pista-piste... nenne es, wie Du willst, es ist das Schärfste ! Rosangela ist davon noch nicht ganz überzeugt, dazu sind ihre Nervenzusammenbrüche noch zu frisch, aber der Arbeitsalltag wird diese Wunden schon heilen und dann kommt das Gefühl hoch, wieder eine Herausforderung bestehen zu wollen.
94 km der Herausforderung, 94 km der Flüche, Zweifel an Pistenverzweigungen und Anspannung vor der nächsten Kurve, was kommen mag, 94 km Steine und Schotter und letztendlich 94 km Einsamkeit und Landschaft, nur wir und unsere Maschinen.
Nun, verstehen wir uns richtig, ich rede hier von ein und denselben 94 km.
Werden wir wieder etwas realistischer und wenden uns dem Tagewerk zu. Von Boumalne auf 1600 m wollten wir über den Tizi n Tazzert mit 2200 m nach Nekob und weiter nach Zagora. Die Pistenabzweigung war bestens ausgeschildert, mit Umsicht und etwas Glück nahmen wir einige km später die richtige (unscheinbare, aber entscheidende) Verzweigung, wehrten uns mit einigen ungezielten Steinwürfen gegen Hirtenköter und die Steigung nahm langsam zu. Nahe der Ansiedlungen liefen die Kinder bisweilen eine halbe Stunde und länger hinter uns her, manchmal fordernd, machmal nur staunend. Rosangela machte der Schotter schlließlich sehr zu schaffen und sie verfiel in eine Endzeitstimmung; wir haben uns verfahren, die Steigung hört nie mehr auf und es gibt keine brauchbares Camp. Beim letzten Punkt hatte sie nicht ganz unrecht, links Abhang runter, rechts Abhang rauf. Einige 100 Meter später fanden wir einen Felsvorsprung, der für ein Camp ausreichte, wir machten Reis mit Thun und bekamen Flutlicht vom Vollmond.
Am nächsten Tag machten wir die letzten einfachen 15 km bis zum Pass und die Abfahrt bot zwei Besonderheiten. Erstens eine Steinpiste, die ich unter meine Top-3" der schlechtesten Pisten nehme und ein Ausblick, der anders, aber mindestens so scharf wie der Grand Canyon ist.
Später bei der Abfahrt kamen uns zu unserer Verblüffung zwei Schweizer mit 3000$-Full-Suspension-Bikes"entgegen, fahrend. Runter war die Piste schon fast unerträglich, aber rauf... !!!
An einem einsamen Cafe füllten wir uns mit Coke auf und fuhren in die Nacht hinein, vorbei an undeutlich zu erkennenden Feldern und Häusern, bis wir schließlich die Unsinnigkeit unseres Unterfangens erkannten (um genau zu sein; Rosangela erkannte es). So legten wir uns in den Straßengraben, begleitet vom Gebell der Hunde, dem Vollmond und dem allgegenwärtigen Kameldung. Wir überlebten auch diese Nacht und nahmen am nächsten Tag die letzen Abfahrtskilometer nach Nekob jauchzend und dankbar entgegen.
Nun war es eigentlich geplant, einen schnellen Hunderter bis Zagora auf Asphalt runterzureissen und dann auf Piste weiter bis Foum Zguid zu fahren, aber dann kam die Spontanität durch, die bekanntermaßen ja eines jeden Deutschen eigen ist. Nach 20 (zu) einfachen km sah ich zur Rechten eine Piste eine abenteuerliche Rampe raufklettern und im Nichts verschwinden. Wir hielten am Cafe an dieser Abzweigung und holten erstmal Infos aus reiner Neugierde ein. Es schälte sich schnell die Überlegung aus unseren Gehirnwindungen, daß es sich hierbei um eine interessante Herausforderung handele, eine Piste nach Zagora, über die wir keine Infos mit Ausnahme der mündlichen Schilderungen der Einheimischen hatten. Bald war der Plan gefasst: Wir vergessen Foum Zguid und fahren auf der Piste nach Zagora und nehmen von da aus den Bus nach Ouarzazate und zu unserem Flieger.
Wir kauften Coke und Kippen ein, das einzig zu kaufende, und machten uns auf dem Weg. Die 80 Höhenmeter waren bald geschafft und oben angekommen war es ein tolles Gefühl, wir waren auf einem Tafelberg. Wir hatten das Gefühl jetzt über allen zu stehen; wie jemand, der sich auf einem Schrank versteckt und von niemanden mehr entdeckt werden kann, der in den Raum kommt. Kurz darauf machten wir unser Camp und schliefen unbesorgt ein. Am nächsten Morgen konnte ich der Versuchung nicht wiederstehen, ein Experiment mit Kamelkütteln durchzuführen. Es ist ja vielleicht bekannt, daß dieser bei Karavannen z. Bsp der einzige Brennstoff sind und eigens ein Typ hinter der Karavanne hergeht, um das Zeug zu sammeln. Auf anderen Tour hatten ich schon die Erfahrung gemacht, daß die Dinger unheimlich leicht und trocken sind und ein Geräusch wie ein trockenes Brötchen machen, wenn man drauftritt. Und sie brennen wirklich Klasse, erzeugen einen Rauch,der nicht abstoßend ist und den wir später noch oft wahr genommen haben.
Ohne es vorher zu ahnen sollte der kommende Tag der anstrengenste Tag unserer kurzen Reise werden. Es standen zwar nur" 55 leicht abfallende km auf dem Programm, aber die waren fies. Über 4 km von Kindern auf Sand und Schotter von Kindern verfolgt und ein gutes Dutzend Durchquerungen trockener Flußbetten. Zum Glück waren die letzten 15 Pistenkilometer geschenkt und so kamen wir nach einigen weiteren Nacht-km wohlbehalten in Zagora an. Nun waren wir in der undankbaren Situation, zwar noch 3 Tage zu haben, aber die reichten für keine vollständige Etappe mehr. So machten wir noch einen Ausflug zu einigen dürftigen Dünen und hatten auf der nächtlichen Rückfahrt einen wirklich unglaublichen Sternenhimmel, schlugen 1 ½ Tage in Zagora tot und vermissten auch schon wieder die Bahn. Das ist nun wirklich Scheiße. Hängst rum, gehts morgens die Hauptstrasse einmal rauf und runter, nimmst eine Coke nach der anderen und machst das gleiche nochmal am Mittag. So waren wir dann auch ganz froh schließlich mit dem Bus zurück nach Ouarzazate zu fahren und am nächsten Tag nach Haus zu düsen.
Die süsse Ros am Ende unserer Reise in Zagora.
Für mich barg die Tour mit Ausnahme der beiden Pistenetappen keine Neuigkeiten, aber dies war auch nicht das Hauptanliegen der Tour. Viel wichtiger war zu sehen, ob Rosangela eine Reise mit dem Rad zusagt und ob sie die unvermeidlichen Strapazen erträgt und sie bestand alles mit großen Einsatz und Bravour. Die offensichtlich harten und ärmlichen Lebensverhältnisse der Einheimischen machten ihr manchmal zu schaffen und natürlich die Kinder, die einem in den unerwartesten Momenten auflauern, einen nicht in Ruhe Pause machen lassen und nach fast allem betteln, was sie sehen.
Mit Belästigungen hatten wir keine Probleme, Rosangela wurde fast immer für eine Marokkanerin gehalten.